Warum das Schwarze Schaf bei der Krippe blieb
Das Jahr ist vergangen, hier findest Du den aktuellsten Adventskalender.
Diese Geschichte kennt kaum jemand. Und das hat seinen guten Grund: Schwarze Schafe sieht man nachts nämlich schlecht – und in einem dunklen Stall schon gar nicht. Das kann manchmal richtig nützlich sein…
Die Hirten auf dem weiten Feld vor Bethlehem mochten Samy, das schwarze Schaf, nicht besonders gern. Obwohl Samy das einzige dunkle Schaf und dadurch etwas Besonderes war. Doch schwarze Wolle brachte keinen guten Preis, weil man sie schlecht färben konnte.
Die weißen Schafe hingegen hegten und pflegten die Hirten. Deren Wolle konnte man nach Belieben einfärben. Rot, gelb, blau … wie es gerade Mode war. Das kam gut an bei den Leuten und brachte den Hirten Geld. Schwarze Wolle jedoch bleibt schwarz. Da ist nicht viel zu machen.
Und so musste sich Samy einiges gefallen lassen. Nicht nur die Hirten ließen ihn meistens links liegen oder tobten gar ihre schlechte Laune an ihm aus. Auch die weißen Schafe waren nicht besonders nett zu ihm. Sie blökten schlecht über Samy, traten ihm unauffällig gegen seine dünnen Beine, schubsten ihn vom Futtertrog oder den Stellen mit dem fetten Gras weg und erzählten ihren Jungen, dass es Bosheit wäre, die ein Schaf schwarz macht. Oder Dummheit.
Und so kam es, dass Samy ein Einzelgänger – und dazu noch ziemlich dünn – blieb. Das war nun wiederum auch ein Glück, denn sonst wäre er längst beim Metzger gelandet. „Aber nicht einmal dazu taugt er! “, schimpfte der Älteste der Hirten an jenem Abend oft vor sich hin. Die anderen schliefen bereits. Als ihnen der Engel erschien. Diese Geschichte kennt ja jeder…
Und auch Samy war dabei, als die Hirten das Kind im Stall und seine Eltern besuchten. Und ihnen ihre Geschenke brachten – vor allem weiche weiße Wolle. Samy war neugierig auf den Kleinen, hatte aber Angst, die Hirten und anderen Schafe würden ihn nicht nach vorne lassen. So druckte er sich zwischen Josef, dem Ochsen und dem Esel vorbei in eine Ecke des Stalls. Von dort konnte er alles genau beobachten. Vor allem das Christkind. Und einmal blinzelte es ihm sogar zu! Samy war selig.
Irgendwann wurde Maria das Getümmel der Hirten und Schafe zu bunt. Das Kind brauchte dringend Schlaf – und sie selbst vielleicht noch viel mehr. Nach all den Strapazen. Und die Drei Könige wollten ja auch noch kommen. Also schmiss Maria kurzerhand alle Gaste, Menschen und Schafe aus dem Stall. Sie schloss die Tür, stillte das Baby, legte es in die Krippe, kuschelte sich an Josef, blies dessen Laterne aus und schlief ein.
Aber den Samy hatte Maria einfach übersehen. Er war ja schwarz. Und im Stall war es trotz Laterne ziemlich düster. Und in der Ecke, in der Samy kauerte, erst recht …
Als auch Ochs und Esel leise schnarchten, pirschte sich Samy leise bis zur Futterkrippe vor, in der das Christkind lag. Sachte stupste er das Baby mit seiner warmen feuchten Nase an. Es war noch wach und schmiegte sich an Samys haarigen Kopf. Die kleinen Hände griffen in das weiche Fell, und Samy getraute sich kaum, sich zu bewegen. So hielt er das Kind mit seinem Atem und seinem Fell warm. Bis zum Morgen.
Und weil Jesus sich auf Anhieb mit dem schwarzen Schaf verstand, schlossen auch Maria und Josef es ins Herz. Samy durfte bleiben. Und stand ab sofort neben Ochs und Esel im Stall. Von da an hatte das Christkind ein Herz für schwarze Schafe.
Quelle: „Und sie hatten keine Plätzchen in der Herberge“ von Arno Backhaus